Sonntag, 26. April 2015

Vertigo

"Wollen Sie mit dem Esel da rauf?" wurde ich von einem Mann gefragt, der eilig aus seinem Haus gerannt gekommen war.
 Aber ja. Ich verliess gerade Peyrus und hielt auf den Anfang des GR 95 zu! Der Pfad, der hinauf in den Vercors führt.

Der Mann erklärte mir, dass es im oberen Drittel des Aufstieges einen ca 3 Meter hohen Fels gäbe, den auch Menschen nur mit Mühe erklettern können, mittels minimalistischer Trittkerben. FÜr Esel meinte er, sicher unpassierbar.

Ich bedankte mich für die Warnung, ging aber dennoch weiter. Zur Not konnte ich Gamin an der besagten Stelle ja abbasten, das Gepäck von Hand raufhieven und Gamin einen Weg nach oben suchen lassen.

Der Aufstieg wurde immer enger und vor allem steiler. Wurzeln und Steinbrocken bieten für Menschenfüsse immer wieder eine Art Stufe, für Eselhufe sind sie jedocheeine Tortur.



Harter Aufstieg

 Als es gar zu steil wurde, blockte Gamin. Nach ca einer halben Stunde konnte ich ihn dazu bringen, weiter zu klettern, Danach blieb er aber wieder stehen. Und wieder Zerren, Zureden.

Insgeheim hoffte ich, das wir besagte Stelle  irgendwann hinter uns gebracht hatten, denn solche Felswände lagen bereits einige hinter uns.
Pustekuchen! Da war sie, die Felswawand.




Sofort stand fest: da kommt kein Esel rauf, egal ob mit oder ohne Gepäck.
Ich verliess ich den GR und versuchte, mich mitten durch das Gestrüpp kämpfend, das Hindernis zu umgehen , um anderer Stelle hochzukommen und wieder auf den GR einzubiegen. Das klappte dann auch. Der Lohn war wenige Zeit später das wunderschöne Hochplateau des Pas du Touet.




Danach ging es erst mal eine Weile flach weiter. Schlieslich erreichten wir Léoncel.

Schon am Eingang der Bürgermeisterei hing ein Zettel mit der Telefonnummer an die man sich wenden kann, wenn man zelten will, oder eine Unterkunft braucht. Uns wurde schliesslich eine Wiese hinter dem Friedhof zugewiesen.

Nach einer sehr windigen Nacht ging es weiter, wieder auf einen Steilpfad. Gamin streikte ebenfalls wieder nach kurzer Zeit. Ein Schild mahnte : "Aufstieg für Reiter und Mountinbiker nicht anzuraten". Aha. Es erwartete uns da oben in den Felsen wieder so eine halsbrechereische Scheisse.
Diesmal beschloss ich, auf den Esel zu hören und wir machten kehrt. Wir umgingen das Ganze, in dem wir schnöde der Départementale folgten ( deutsches pendant: Bundesstrasse) 

Nach einer Weile bogen wir wieder auf den GR ein, NUn öffnete sich das Vercors Hochplateau in seiner ganzen Pracht.



Wir erreichten den Col de la Bataille. Hier kann man in alle Richtungen weit ins Tal und in die Berge sehen.


Ein imposantes Schauspiel, zweifellos.
Jedoch mir schlotterten die Knie und alles drehte sich. Höhenangst!
Jetzt hatte es mich voll erwischt. Der Col ist 1313 Meter hoch, im Grunde nicht viel, aber die Bilder sprechen ja für sich. Höhenangst hatte ich schon immer, aber eigentlich nie in den Bergen.
Doch hier - da ging gar nichts mehr.

Ich fotografierte ohne hinzusehen. Ich hatte nur noch das Bedürfnis, möglichst schnell runter, und zwar auf der Hauptrasse, wenns geht flach auf dem Boden kriechend.

Irgendwie schafften wir es bis in die Gradiol Hütte. (Gradiol...klingt wie Gradoli) eine spartanische, unbemannte Hütte ohne Wasser, Funknetz und Strom, aber mit einem Holzofen und einer Holzbank, auf der man schlafen kann.


Ich beschloss, hier zu übernachten. In der Hütte war Holz, aber kein Papier. Ein arg zerrissenes Gästebuch lag auf dem Tisch. Die diversen Einträge verrieten schnell, warum das Werk in so einem schlechten Zustand war: “Sorry, wir mussten Seiten herausreissen um Feuer machen zu können, irgendwie ging es um Leben und Tod”...usw...

Nun tat ich es den Vorgänggern gleich und hoffte, mit so wenig wie möglich Seiten auskommen zu können. Nach etwa 10 Seiten brannte der Ofen gemütlich.

Ansonsten war die Nacht in dem unheimlichen Bau alles andre als heimelig. In meinem Zelt wäre mir wohler gewesen. In so eine Hütte *darf* jederzeit wer reinkomen und sich zu Dir legen. (!)

An und für sich darf man auch neben so einem Refuge campieren. Aber ich war für den Zeltaufbau viel zu müde. Und so verbrachte ich die Nacht, auf dem Boden neben demOfen schlafend. Das Dortoir war mir zu gruselig.

Der weitere Weg des GR würde nun über den Plateau d'Ambel führen, am Grat einer bodenlos tiefen Felswand und das in bis zu 2100 Meter Höhe.
 Das ist ist mir zu hoch.
 Und dann das Wetter. Regen, starke Windböen.

Einige grundlegende Gedanken drängten sich au: Dieser Vercors Grat ist ja erst der Anfang. Die Alpen werden mit GR Pfaden aufwarten, die in Höhen von über 2900 Meter führen. Bis ich den Esel nur schon da rauf gezerrt habe, ist es Herbst.

 Die einzige Lösung liegt darin, die Route weiter südlich zu verlagern und dabei aufzupasen, dass  die zu bewältigende Bergwelt innerhalb des 1000 - 1200 Meter bereiches bleibt.

Anders gehts nicht. Also folgten wir heute einmal mehr glanzlos der Départementale. Ganze 38 KIlometer! Gamin war fix und fertig als wir endlich in Bouvante, einem kleien Dorf eintrafen. Dort gibt es ein Restaurant-Hotel, wo ich mich kurzerhad eincheckte. Gamin kam auf eine Apfelbaumwiese und ich freute mich auf eine Dusche. Zwar fiel mir dabei der riesige Duschkopf auf die Birne, aber man kann ja nicht alles haben.

Dafür durfte ich mich ans Hauseigene WIFI hängen, so dass ich nun fleissig an der neuen Route arbeiten kann.

3 Kommentare:

  1. Auch hier noch einmal:
    Diana, erst einmal danke, dass du uns hier sofort teilhaben lässt! Ich zolle dir meinen allerhöchsten Respekt für das, was du da hinter dich gebracht hast. Ich wäre vor Angst gestorben....

    Das, was du schilderst, das wirft dich jetzt natürlich zurück....aber ist solch eine Reise nicht genau dazu da, dass man lernt, mit dem Gegebenen auszukommen und sich "nach der Decke zu strecken" ?
    Eigentlich ist dieser tapfere, weise kleine Esel für dich ein fantastischer Seismograph, der dir anzeigt, was auch bei dir möglich ist und was nicht, oder?
    Ich hoffe sehr, dass du auf ihn hörst!
    Du hast feine Bilder mitgebracht! Der Kleine ist ein echter Schatz.
    Hast du denn bei der Kraxelei dort auch nur einen einzigen Menschen getroffen??

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Illo, beim Aufstieg ab Peyrus, traf ich ein, zwei Wanderer. Im Vercors absolut niemanden.

      Löschen
  2. Hi Diana,
    38 km? Wahnsinn! Aber übertreib' es nicht!
    Weiterhin alles Gute!

    AntwortenLöschen