Montag, 12. Januar 2015

Schockwandler

Die dunklen Tage  beherrschen weiter das Land. Überall ist das tiefe Trauma das über der ganzen Nation liegt, spürbar.
Es lauert als bleierner Schatten in jeder Ecke und ist als grauer Schleier in jedes Gesicht gemeisselt.

Auch ich bin hingefallen und komme nicht mehr hoch. Jeder Versuch, wieder aufzustehen wird niedergedrückt  durch eine Beton-Platte, einer Salve Kugeln ins Herz. Es ist Mischung aus Schuldgefühl "Wie kann ich weitermachen, wo das doch passiert ist, wo SIE nicht mehr weitermachen können?" und einem allumfassenden Gefühl der Sinnlosigkeit.

Italien und Aldo Moro scheinen so fern wie noch nie.
Zum ersten Mal, seit ich vor mehr als einem Jahr den Entschluss fasste, die Pilgerfahrt zu machen, fehlt mir die Motivation. Die blühenden Träume von majestätischen Bergen, kristallklaren  Buchten, von Zikaden und Sternen, verblassen zu einer irrealen, vergangenen  Halluzination, die sich entfernt.

Das Training ist nur noch Pflicht. Das Pferd muss schliesslich bewegt werden.
Ich breche auf, aber ohne Lust.  Jeder Fehler, den das Tier macht ärgert mich. Und wieder scheut Heidi, stürmt nach vorn, wegen scheinbar nichts. Ich kann sie halten, aber ich verfluche sie. Ein "Scheissvieh" entfährt mir, ausgestossen in die kalte Luft der Sinnlosigkeit.

Unten im Wald, da ist dieser Weg entlang des "Ruisseau des Cailloux" - Baches, den ich schon lange mal begehen wollte. Doch  das Schmelzwasser hat den Bach zum reissenden Fluss gemacht. An vielen Stellen ist er über die Ufer getreten. Ein Baum liegt auch noch quer.  Auf den ersten Blick, ist alles unpassierbar.
Um mit Kojak zu sprechen: Entzückend!
Ich weiss; unterwegs wird es viele solche Situationen geben.

Und jetzt stinkt mir das ganze erst recht.

Ich wende das Pferd. Nur nach Hause, den Gaul auf dem Paddock parken und dann ab aufs Sofa.

Dann wird mir klar: Wenn ich jetzt umkehre, dann endgültig. Dann werde ich Morgen nicht wieder kommen um zu sehen, ob der Weg jetzt vielleicht passierbar ist.
Und das war's dann mit Aldo, den Sternen und den Zikaden.



Also stackse ich den glitschig-matschigen Steilhang hinunter. Heidi, nervös von dem lauter hin und her, setzt sich auch in Bewegung.  Viel zu schnell, ich bremse sie aus. Sie muss lernen, mir auf solchen schwierigen Wegen langsam und mit Abstand zu folgen.
Lernen?
Dann bin ich also doch wieder mittendrin, im Training.
Wir Kämpfen uns über die rutschigen Steine am Ufer, umgehen den Baum, in dem wir wieder eine Böschung hinauf in den Wald klettern, dann wieder runter.
Wir meistern die schwierige Stelle. Das Licht das durch den Wald bricht und auf dem wilden Wasser funkelt, scheint für einen Augenblick einen Gruss aus dem fernen Apulien mitzubringen.





3 Kommentare:

  1. Diana, das ist doch normal, deine Lähmung, dein Gefühl, in unendlicher Schwärze zu stecken.
    Und es werden dich immer wieder solche Situationen, solche Gefühle überrennen.
    Wie man sieht, hilft dir das Gefühl der Verantwortung für Heidi hervorragend aus den ganz bösen Momenten!!
    Die Fotos, die du gemacht hast, sind so wunderschön, so licht--ein Traum!!!

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    1. Danke, Illo. Es war schon gruselig, denn das erste mal hatte ich echt keine Motivation mehr. Aber ich glaube, es war gut und wichtig, dass ich mit ihr dieses Hindernis trainiert habe, denn so kam das Gefühl wieder etwas zurück.

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  2. Oh weh ... das ist diese "dunkle Nacht der Seele" - ich fürchte, die ereilt jeden Menschen irgendwann, der ein ernsthaftes und wichtiges Projekt verfolgt. Aber Du bist weitergegangen, weder dem inneren noch dem äußeren Hindernis ausgewichen.
    Möge es bald wieder Tag werden in Dir!

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